Jetzt ist es schon über drei Jahre her, dass ich am 01.03.2018 meine Diagnose bekommen habe. Die Zeit ist wirklich schnell vergangen und doch kommt es mir so vor, als wäre es erst gestern gewesen.
Es sind so viele Dinge passiert und das trotz oder gerade wegen der MS Diagnose. Ich habe gerade im letzten Jahr so viele glückliche Momente gehabt und so viele inspirierende Dinge erlebt, dass ich noch lange daraus Energie ziehen kann. Energie für die Tage, an denen es mir nicht so gut geht oder ich nicht wirklich das Gefühl habe, meinen Alltag bestreiten zu können.
Ganz zu Beginn meiner MS-Laufbahn bin ich fast jeden Morgen mit einem komischen Gefühl aufgewacht. Meine ersten Gedanken drehten sich dann oft sofort um die MS. Das erste was ich an diesen Morgenden tat, war, meine Arme und Beine zu bewegen und anzufassen, um zu prüfen, ob ich noch alles bewegen und spüren konnte. Ich hatte die irrationale Angst, das ich morgens aufwachen könnte und nicht mehr laufen kann. Wenn ich jetzt daran zurück denke, muss ich schlucken. Denn ich kann mir gut vorstellen, dass es vielen zu Anfang so ging.
Mir liegt es sehr am Herzen an dieser Stelle mehr Aufklärung zu betreiben. Ich war sehr froh damals, als ich einige Blogs von anderen MS’ler*innen gefunden hatte und lesen konnte, wie es ihnen mit der Krankheit ging. Für mich war damals schnell klar: Das möchte ich auch machen! Ich möchte anderen Neu-Diagnostizierten die Angst vor der Erkrankung nehmen und zeigen, dass das Leben weiter geht. Und auch den „alten Hasen“ will ich eine Unterstützung sein.
Neuerdings kann ich diese Unterstützung auch noch in einer ganz anderen Weise leisten:
Seit dem 01.02.2021 habe ich zusammen mit einer Freundin die Leitung unserer Ortsansässigen MS-Kontaktgruppe übernommen, nachdem die vorherige Leitung aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten ist.
Zu dieser Gruppe bin ich ungefähr zwei Monate nach meiner Diagnose dazugestoßen. Oder besser: Ich wurde dazugestoßen. Dafür bin ich der Freundin, die damals mit mir dahin gegangen ist, noch immer sehr dankbar. Ich war schon damals und bin auch heute noch immer das jüngste Mitglied der Gruppe. Zu meinem Glück haben mich dort sofort einige liebe Menschen unter ihre Fittiche genommen und mir viel Beistand und Hilfe geleistet. Und auch heute kann ich mich mit meinen Fragen noch immer vertrauensvoll an diese Menschen wenden.
Für mich war es damals auf alle Fälle die richtige Entscheidung dieser Gruppe beizutreten. Und ich bin stolz und glücklich den Menschen unserer Gruppe als Leiterin jetzt etwas zurück geben zu können.
Nachdem ich jetzt einige Zeit lang gearbeitet habe, hat sich für mich irgendwann herauskristalisiert, dass ich mich weiterbilden möchte. Auch schon vor meiner Leitungsposition habe ich mich viel in der Kontaktgruppe engagiert und mir wurde schnell klar: Das macht mir super viel Spaß! Die Arbeit für und mit Menschen erfüllt mich sehr und ich habe gemerkt, dass ich mir das auch beruflich gut vorstellen könnte. Zudem interessiert es mich, mehr in dieser Richtung zu lernen und meine Kompetenzen auszuweiten.
Herausgekommen ist bei diesen Überlegungen letztendlich ein Sozialpädagogik Studium.
Natürlich war da zuerst ein wenig Angst, ob ich ein Studium aus gesundheitlicher Sicht überhaupt schaffen kann. Von Seiten der Uni aus bekommt man einige Unterstützung, muss sich dafür aber auch durch mehrere große Stapel Papierkram arbeiten. Und auch meine Freunde und meine Familie haben mich ermutigt, es einfach zu versuchen.
Ich habe den Schritt gewagt und bin nun wirklich froh mich dazu entschieden zu haben.
Und auch beim studieren habe ich einige liebe Menschen kennengelernt, die mich in meiner Entscheidung unterstützen, denn ich bin nicht die einzige mit Einschränkungen, die sich auf die Herausforderung Studium eingelassen hat.
Mein ständiger Begleiter in all der Zeit ist das Tanzen gewesen. Denn das geht, entgegen all meiner ausgemalten Horrorvorstellungen vom Anfang, noch immer sehr gut. Auch hier habe ich großes Glück sehr verständnisvolle Menschen um mich herum zu haben und gerade mein langjähriger Tanzpartner lässt mich sogar oft vergessen, dass nicht immer alles rund läuft.
Ich kann mir ein Leben ohne Tanzen nicht vorstellen und bin der festen Überzeugung, dass ich mir das auch nie vorstellen muss… Doch muss ich an dieser Stelle auch zugeben, dass ich mir um das Tanzen bisher die meisten Sorgen gemacht habe, weil mir das einfach sehr, sehr wichtig ist. Ich denke auch, dass davon diese surreale Angst vor den tauben Armen und Beinen kam, von der ich zu Beginn berichtet habe.
Zu meinem heutigen Diagnose-Jahrestag werde ich die vielen unbeschwerten Tage feiern und mir noch viele mehr davon wünschen. Und ich werde dabei auch an all die anderen Menschen in meinen Leben denken und ihnen das gleiche wünschen!