Vielleicht morgen…

Vielleicht morgen…
Foto: pexels.com

Ein Symptom, das auch oft in MS-Foren oder in Broschüren beschrieben wird, kann ich seit einiger Zeit auch bei mir beobachten.
Ich bin nicht mehr so belastbar. Manchmal stresst mich schon die Tatsache, dass ich in zwei Wochen am Freitag einen einstündigen Termin gleich nach der Arbeit habe. Früher hätte ich mir dabei gedacht: Super, wenn alles gleich aufeinander folgt, habe ich danach freie Zeit für mich. Heute denke ich in solchen Situationen: Und wo bleibt da Zeit für eine Runde ausruhen?
Ich arbeite am Tag nur knapp sieben Stunden, bin danach aber häufig so gerädert, dass jeder weitere Termin zur Qual wird.

Somit passiert es auch nicht selten, dass ich Dinge, die ich noch erledigen wollte, längere Zeit vor mir herschiebe. Termine, die nicht unbedingt nötig sind oder nicht zeitlich gebunden sind, verliere ich manchmal tagelang aus den Augen, um dann irgendwann vor einem großen Haufen Aufgaben zu stehen, die meine Situation natürlich nicht verbessern.
Doch mein Körper verlangt regelmäßig nach Ruhepausen.
Es ist noch schwer für mich damit umzugehen, einfach mal nichts zu tun. Das kam für mich lange Zeit nicht in Frage, jetzt geht es oft nicht mehr anders.

Leider neige ich auch hierbei häufig zu einem schlechten Gewissen, was auch damit zusammenhängt, dass dies ein Symptom ist, welches niemand sieht. Vielleicht sagt mal jemand so etwas wie „Du siehst heute aber müde aus“, aber diese gesellschaftlichen Floskeln beschreiben leider nicht im geringsten, dieses „nicht belastbar sein“.
Somit gehe ich (Asche auf mein Haupt für diese negative Einstellung) regelmäßig davon aus, dass andere Menschen sich manchmal über mein Verhalten wundern. Mit der Gefahr meinem Umfeld damit etwas zu unterstellen. Aber der Ausbruch aus alten Denkmustern ist schwer und noch schwerer ist es an neuen Denkmustern festzuhalten und diese zu pflegen.
Hinzu kommt auch, dass ich gerade 22 Jahre alt geworden bin, eine Berufsausbildung schon abgeschlossen hinter mir liegt und sich vor mir nun das weite Feld der Berufswelt auftut. Und die Frage aus der Zeit vor dem Abi ist wieder da. „Was willst Du mal werden?“.
Der Beruf den ich gelernt habe bietet mir in dem Umfang, wie ich ihn ausüben möchte, keine Zukunft mehr. Feingefühl, Fingerfertigkeit, dauerhaftes Stehen… Man muss sich selbst gegenüber ja auch bei der Wahrheit bleiben. Keiner, mich eingeschlossen, weiß was auf mich zukommt mit dieser Krankheit und ich möchte realistisch bleiben.

Meine Aufgabe ist jetzt einen Beruf zu finden, den ich dauerhaft ausüben kann, auch mit der ein oder anderen dauerhaften Einschränkung. Ich möchte nicht etwas machen, wo ich irgendwann einfach in ein Büro versetzt werde und irgendwelche Aufgaben erledige, die zu meinem gelernten Beruf eigentlich gar nicht gehören.
Und diese Gedanken fliegen auch noch alle in meinem Kopf herum. Gerade dafür hätte ich gerne mehr Platz in meinem Kopf, mehr Ausdauer beim Denken und Verarbeiten.
Aber ach nein, dann kommt wieder der nächste Arzttermin dazwischen. Plötzlich steht meine Gesundheit wieder an erster Stelle in meinen Gedanken. Medikamentenwechsel oder nicht? Und niemand kann mir die Entscheidung abnehmen. Ich muss Vertrauen haben in meine Ärzte, aber an erster Stelle auch in meine Entscheidungen. Und so hüpfen die Gedanken hin und her.

Das ein oder andere Mal habe ich schon gesagt, dass die MS gerade mein Beruf ist. Phasenweise befasse ich mich hauptberuflich ausschließlich mit meiner Krankheit, die mir zu den Zeitpunkten dann meistens alles abverlangt. Das sind auch die Momente, in denen ich mir die meisten Sorgen mache. Und zwar um mich. Was passiert da in meinem Kopf und Rückenmark? Und wache ich doch einen Tag auf und habe einen richtig fiesen, schweren Schub?
Weitermachen. Das ist die Divise für mich. Es nützt mir nichts stehen zu bleiben und mein Schicksal abzuwarten. Ich versuche zwischen dem klarkommen, ausruhen und Dinge erledigen auch noch all die Dinge zu tun, die ich immer schon mal machen wollte. Das sollte jeder tun, mir ist es durch die Krankheit nochmal direkt vor Augen geführt worden.
Wenn nicht jetzt, wann dann? Und wenn nicht ich, wer dann?

Foto: pexels.com

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert